Funkenwochenende

Im Ried gibt es sehr viel Kulturelles, wie die vielen historischen Denkmäler oder die Stiftung, welche bereits seit 1483 besteht. Das Wichtigste und emotional bedeutsamste ist für einen Riedler der Funkensonntag, der schon seit Jahrhunderten in der Region zur Tradition gehört. Es ist der heiligste Tag für viele Riedler.

Der Brauch des Funkensonntags hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verändert, nachdem von Gesetzes wegen nicht mehr jedes beliebige Brennmaterial angezündet werden darf. Früher gab es in Appenzell bis zu zehn Funken; noch heute wetteifern die verschiedenen Quartiere um das grösste Feuer, „Heerfunken“ genannt. Der Versuch, den Riedlern, die schon seit jeher fast immer den „Heefunken“ hatten, streitig zu machen, ist ein schwieriges Unterfangen. Der Riedfunken wird dort, wo früher der Galgen stand, aufgebaut. Der „Galgenhang“ ist ein geeigneter Platz, etwas erhöht, südlich des Dorfes Der Funkenverein Ried sorgt dafür, dass das Brennmaterial rechtzeitig gesammelt, sicher gelagert und der Funken ordnungsgemäss aufgeschichtet wird. Der Riedfunken ist wohl der bekannteste und grösste Funken im Lande. Bis in die Neunzigerjahre fing die Riedjugend einige Wochen vor dem Funkensonntag schon mit dem Sammeln der ,,Funkenware‘‘ an. Das „Funkenwar-Sammeln“ war eine fast ungeschriebene Pflicht für die Riedler. Fast täglich sammelte man alles Brennbare. Karton, Papier, Holz, Matratzen, alte Möbel oder sogar Pneus. Die jungen Riedler zogen dann mit einem Leiter- oder Handwagen durchs Dorf, um bei Verkaufsgeschäften und Privathaushalten brennbares Material abzuholen. Die Sammler waren glücklich über ihr Sammelgut, die Einwohner aber ebenso dankbar, sperriges Abfuhrgut auf nützliche Weise zu entsorgen. Im Riedgaden, wo die Funkenware bis zum Funkenbau gelagert wurde, war während der Sammelzeit ein beliebter Treffpunkt am Abend.

Auch in anderen Quartieren wurde für die Funken gesammelt. Da jedes Quartier den „Heefunken“ wollte, gab es Konkurrenzkämpfe untereinander. Manchmal kam es zu echten Auseinandersetzungen zwischen den Sammlern aus den verschiedenen Quartieren. Es kam vor, dass das Lager bewacht werden musste, sodass keine Möbel ect. gestohlen wurden.

Eine Woche vor dem Funkensonntag wurde jeweils das Gerüst für den Funken gebaut. Die Latten wiesen eine Höhe von bis zu 15 Meter und einen Umfang von 25 bis 30 Meter auf. Am Funkensamstag und  -sonntag gab es viel zu tun. Der Transport der gesammelten Funkenware zum Funkenplatz wurde nun von den etwas älteren Riedlern übernommen. Eine andere Gruppe begann mit dem Aufbau und dem Füllen des Funkens. Der Funken wuchs Meter um Meter, sehr zur Freude der zahlreichen Zuschauer. Bereits am Samstagnachmittag war gewöhnlich die Kuppe des Funkens erreicht und wurde mit „Chres“ (Tannenresig) und dürren Christbäumen gefüllt. Zuoberst an der Spitze des Funkens wurde dann die „Funkebabe“ aufgehängt. Sie war mit einigen Raketen gefüllt, die am Funkensonntag mit ohrenbetäubendem Knall angezündet wurde. Zum Funken gehörte natürlich auch das Abbrennen von Feuerwerk. Viele Kinder probierten während dieser Tage auch zum ersten Mal eine Zigarette oder Zigarre zu rauchen (gefolgt von einem Hustenanfall!). Mit den Zigaretten oder Nielen zündeten sie auch ihre „Wiibefötzli“ an.

1990Funkenaufbau 1990

Diese Art Funken gehört aber seit den Neunizigerjahren der Vergangenheit an. Durch die Vorgaben des Umweltschutzes mussten sich die Riedler überlegen, wie und womit sie zukünftig den Funken bauen wollten. Es durfte nur noch unbehandeltes Holz gesammelt werden. Glücklicherweise beschlossen die Riedler und die Bewohner einiger anderer Quartiere, den Brauch des Funkensonntags aufrecht zu erhalten. Für den Bau des Funkens werden jetzt grosse Holzstangen aufgestellt. Um diese Latten herum werden Holzbretter festgemacht. Dieses Leergerüst dient als Halterung und wird dann mit Holz und mit dürren Christbäumen gefüllt. Die Riedler sammeln traditionell am Vortag vor dem Funkensonntag im ganzen Dorf Appenzell die dürren Christbäume ein und erweisen dadurch der ganzen Bevölkerung auch einen grossen Dienst.

Am Funkensonntag wird vom Ried auch ein Fackelzug organisiert. Sobald es dunkel wird, marschieren über hundert Kinder und viele Erwachsene mit selbstgefertigten Fackeln in einem langen Zug zum Funken. Sie stellen sich im Kreis um den Holzstoss auf, umkreisen diesen und auf Böllerschusskommando hin werfen alle ihre Fackeln auf den Funken und setzen ihn so in Brand. Dabei wir auf Leibeskräften geschrien: „Ried lebede hoch, dreimol hoch!“. Schon bald lodern die Flammen zum Himmel auf. Gespannt warten alle bis die „Funkenbabe“ an der Spitze des Funkens zu brennen beginnt und mit einem Riesenknall auseinanderfällt.

Danach beginnt der gemütliche Teil mit geselligem Beisammensein, oft bis in die frühen Morgenstunden.

Dies gibt den Riedlern das Bewusstsein mit diesem Funken wieder einen Höhepunkt im Jahresablauf gesetzt zu haben.

Obwohl der Funkensonntag nach wir vor als historischer Volksbrauch gefeiert wird, ist trotzdem wieder ein grosses Stück Brauchtum verloren gegangen. Nicht nur das Lodern des Funkens bildete den Höhepunkt der funkenbegeisterten Jugend, sondern auch das "Funkenware-Sammeln" selbst mit all seinen Geschichten und Erlebnissen. So bleibt aber der Fortbestand des Funkensonntags auf dem Ried vorläufig erhalten.

 

1980Funken 1980

2015Funken 2015